Crashkurs Journalismus

Der Ereignisbericht

Der Ereignisbericht
(der Name zeigt, dass es noch andere Berichtsformen gibt - die kommen später.)

Ereignisberichte sind lange, selbst erlebte und recherchierte Nachrichten, erweitert um die Bausteine Produktionsort, Hintergrund, Einordnung, Zitate, Foto.
(1) Die Zutaten der Nachricht „Aktualität und Relevanz“ bleiben natürlich Voraussetzung.
(2) Es gibt auch Berichte, produziert per Mail, Telefon/am Schreibtisch. Die kommen später.

 

Der Bericht: Produktionsort und Exklusivität
- Autoren müssen am Ort des Geschehens (Produktionsort) gewesen sein; Dinge erlebt, gesehen, gehört und mit Menschen (Beteiligten, Betroffenen, Befürwortern, Gegnern, Experten etc.) gesprochen haben. Und dann darüber berichten.
- Bei aktuellen Berichten können Produktionsorte frei zugänglich sein. Bei Hintergrund-Berichten sollten die Produktionsorte exklusiv für Journalisten sein, also für normale Menschen (Leser, Hörer, Zuschauer) nicht erreichbar.
- Die Zitatgeber müssen exklusiv sein; LHZ (Leser / Hörer / Zuschauer) wollen nicht wissen, was Knut Wuchtig oder Liese Laber zu einem Ereignis sagen, sondern was die Verantwortlichen, die Experten dazu sagen. (Achtung: Meinung - meine: Das was Journalisten an Umfragen / Volkes Meinung publizieren, ist Blödsinn; die Antworten sind zufällig ausgewählt und damit nicht repräsentativ.)

Ein Bericht braucht ein Ereignis. Und das Ereignis muss aktuell und relevant sein.

Ein Bericht braucht einen Produktionsort: Man muss dort sein, sehen, hören, fragen, zuhören. Und kann dann darüber berichten. Die Informationen vom Produktionsort sind ein wichtiger Teil der journalistischen Leistung; im ökonomischen Sinne wird nur durch die Informationen und Erkenntnisse vom und am Produktionsort, durch die geführten Gespräche mit Experten und Betroffenen ein Mehrwert geschaffen. Denn selbst die Zusammenfassung von Informationen aus unendlich vielen schon vorhandenen Quellen würde nichts Neues schaffen.

Ein Bericht braucht einen Hintergrund. Vor und nach der Reise zum Produktionsort holt man zusätzliche Informationen ein aus Zeitungen, Zeitschriften, Lexika, bei Google und durch Gespräche mit Experten. Und diese Informationen bilden den Hintergrund des Berichts. Beispiel Autounfall: Wer nur an diesem Ereignis „kleben“ bleibt, erfährt nicht, dass es an dieser Stelle schon fünf Mal gekracht hat, und dass Experten schon immer auf diese gefährliche Stelle hingewiesen haben. Und diese Infos sind natürlich ist diese Info wichtig. 

Ein Bericht braucht eine Einordnung, das ist neben den Informationen zum Ereignis und dem Hintergrund eine wesentliche journalistische Leistung. Die gesammelten Informationen müssen ausgewertet und dann hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für den Bericht bewertet werden. Dann entscheidet der Journalist, welche zusätzlichen Punkte jetzt noch recherchiert und dann im Bericht auftauchen müssen, damit der Leser das Thema auch einordnen kann: Wie wichtig ist dieses Thema; welche Auswirkungen wird es haben, wann und wo gibt es das noch, gibt es Nachteile; was sagen Gegner, Kritiker, unabhängige Experten dazu? Die Einordnung muss in jedem Fall auf Zitaten von Gegnern, Kritikern, unabhängigen Experten beruhen. Die Einordnung erfordert Denkarbeit, Recherche, Zielstrebigkeit und bringt dadurch oft das, was die anderen Kollegen/Medien nicht haben.

 Ein Bericht braucht Zitate. Zitate sollen Ereignisse bewerten, einordnen. Zitate sollen nicht (Technik) erklären – das ist die Aufgabe von (Technik-)Journalisten. Zitate sollen das sagen, was der Journalist selbst nicht sagen kann: Meinungen, Erlebnisse, Einschätzungen, Gefühle. Ein Bericht muss mindestens zwei Zitatgeber haben: Die Hauptperson des Berichts. Und dessen Gegner, Kritiker oder zumindest die Meinung eines unabhängigen Experten. Die Gründe für die Auswahl des Zitatgebers müssen erkennbar sein: Er muss Beteiligter, Betroffener, Augenzeuge etc. sein. Zitatgeber, die ein Ereignis einordnen sollen, müssen nachweislich Experte für dieses Thema sein. Soll es ein unabhängiger Experte sein, muss auch das deutlich werden. Zitate dürfen/müssen „geglättet“ werden: Sie sollen sprachlich sauber sein, damit der Zitatgeber sich nicht mit einem sprachlich unsauberen Zitat blamiert, sie dürfen gekürzt werden – aber der Sinn eines Zitates darf in keinem Fall verfälscht werden.

Ein Bericht braucht (mindestens) ein Foto: Passend zum Thema, am besten selber fotografiert, mit einer Bildaussage, die zum Thema passt. Menschen und Technik, Benutzer und Gerät, Menschenmengen am Messestand. Im Idealfall sieht man auf dem Foto das Ereignis, über das im Text berichtet wird. Fotos von Unternehmen/Pressestellen zeigen oft nur das Produkt, womöglich noch mit Unternehmenslogo; wer als Journalist diese Fotos benutzt, glänzt also nicht gerade durch journalistische Leistung. Fotos immer mit Bildunterschrift (Aber bitte nicht: „Und so sieht er aus: Der neue Klingklangklong“) und Bildquelle.

 

Die Bausteine für den Ereignisbericht
(und Tipps für Inhalt und Form der Bausteine:

Die Überschrift nennt das aktuelle Ereignis und muss sich deswegen auf das Ereignis beziehen.

Die Unterzeile
kann sich auf das aktuelle Ereignis beziehen oder aber auch eine Einordnung bringen.

Der Vorspann
entspricht der Darstellungsform „Nachricht“. Die Leser sollen hier die wichtigsten Infos zum aktuellen Ereignis bekommen. Statt Vorspann gehen auch Unterzeilen: Kurze Sätze mit den wichtigsten Infos; eine Zusammenfassung des Textes.

Szenischer Einstieg:
Bringt einen Menschen, eine Aktion, eine Szene. Ist kein Journalismus, sondern eine dramaturgischer Trick, um die Leser in die Geschichte zu ziehen. Und zwingt die Studierenden dazu, zu einem Ereignis zu gehen.

Details
bringt die Informationen, die noch nicht im Vorspann stehen. Die Details sollten nicht das Ende des szenischen Einstiegs aufgreifen, sondern ein eigenständiger Einstieg sein. Manchmal ist es nötig, die Details in einen ersten (Details zum aktuellen Ereignis) und einen zweiten (Details zur Sache) Teil zu gliedern: Die Details zum aktuellen Ereignis sind die Beschreibungen zum Ereignis, die Details zur Sache sind die recherchierten, also nicht erlebten Informationen.

Hintergrund:
Löst sich vom aktuellen Ereignis und blickt „über den Tellerrand“ (das aktuelle Ereignis, die Sache) hinaus. Was war vorher, gibt es ähnliche Ereignisse/Sachen, wie hat es sich entwickelt etc.

Einordnung:
Ist die die größte journalistische Leistunginweis, denn hier und jetzt muss der Autor selber herausfinden, ob die bislang genannten Informationen vollständig sind. Oder gibt es vielleicht Nachteile (die der Veranstalter, Organisator) nicht genannt hat? Welche, warum? Was sagen die Kritiker? Was sind die Aus/Wirkungen dieses Ereignisses, dieser Sache? Hinweis: Die Einordnung darf kein Kommentar des Autor sein, alle Wertungen dürfen ausschließlich von anderen/Zitatgebern kommen.

Schluss:
Das erkennbare (bei Print ist das ersichtlich, bei Radio und Fernsehen muss es „erhörbar“ sein) Ende des Textes, meistens ein Ausblick. In jedem Fall aber noch Infos (und auf keinen Fall, häufiger Anfägnerfehler, eine Wertung durch den Autor. Und auch kein „Ob“-Satz.

Zitate
sollen in erster Linie das bringen, was Journalisten nicht dürfen: werten. Die Sachinfos kommen in den Lauftext, die Meinung, Wertung, das Gefühl in die Zitate. Es muss für Leser ersichtlich sein, weshalb der Zitatgeber ausgewählt wurde: Organisator, Verantwortlicher, Experte oder Betroffener. Ziatate von „Normalos“ gehören nicht in den jorunalistischen Text (es gibt wenige Ausnahme). Deswegen lasse ich in meinen Werken auch keine Umfragen zu.)

Foto:
Ein Foto, am besten mehrere zur Auswahl, ist ein Muss; selbst der kürzeste Txt / Bericht muss bebildert sein.ES ist immer gut, die Fotos selber zu machen und sie nicht von Unternehmen, Pressestellen etc. zu übernehmen. Fotografiere nicht Menschen in gestellten Szenen, sondern zeige sie im Gespräch, in Aktion, in eindrucksvollen Szenen, Umgebungen. Fotos müssen immer eine Bildunterschrift (BU) haben und den Namen des Fotografen.

 

Ein super Hilfsmittel für deinen Bericht:
Ein Rohtext

Wenn du schon das Kapitel "Radio und Fernsehen" gelesen hast, weiß du es schon: Ein Rohtext macht deine Text-Produktion schnell und effektiv. Ein Rohtext sieht aus wie ein echter Bericht: Das Format stimmt, alle Bausteine sind entsprechend der Vorgaben geschrieben und der Text liest sich dadurch wie ein echter Bericht – aber alle Infos stimmen nicht; du hast sie dir ausgedacht.

Du schreibst einen solchen Rohtext schon am Schreibtisch - BEVOR du zu dem Ereingnis gehst. Du denkst darüber nach, was dich am Ort des Ereignisses erwartet, was es da zu sehen, zu hören und für dich zu berichten gibt. Du überlegst dir, welche Fragen (und Antworten) du brauchst, um die Bausteine HINTERGRUND und EINORDNUNG zu schreiben.

Beim Schreiben des Rohtextes brauchst du noch nicht auf die Länge des Textes zu achten; schreibe mehr, als du später tatsächlich brauchst - deinen Text dann zu kürzen, Informationen wegzulassen ist immer einfacher und schneller, als später am Schreibtisch noch mühsam Infos zu recherchieren, an die du vorher nicht gedacht hast.

Wenn dein Rohtext fertig ist, gehst du viel fokussierter zum Ereignis. Du weißt schon genau, was du unbedingt sehen, hören und bei Interviewpartnern erfragen musst und sonstwie rauskriegen musst. Im Idealfall ersetzt du anschließend "nur" noch die Fake-Infos im Rohtext durch die tatsächlichen Infos austauschen - und dann ist dein Ereignisbericht schon so gut wie fertig.

 

Hier ein Beispiel für einen Rohtext:

(Überschrift)
"Für immer vereint: Mensch und Tier im selben Grab"

(Vorspann)
"In Beispielhausen hat gestern das erste Urnenfeld für Mensch und Tier eröffnet. Tierbesitzer und ihre Lieblinge können hier künftig vereint die letzte Ruhe finden. Voraussetzung ist, dass das Tier zuvor verbrannt wird; die menschlichen Körper können sowohl traditionell als auch in einer Urne bestattet werden. Das Areal am Rand der kleinen Stadt bietet Platz für bis zu 2000 gemeinsame Gräber; Mensch und Tier ruhen gemeinsam. Mit dem Angebot reagiert das Bestattungsunternehmen Ruhe Sanft GmbH auf die große Nachfrage nach solchen letzten Ruhestätten."

(Statt Vorspann auch möglich: Unterzeilen)
"Das erste Urnenfeld für Mensch und Tier in Beispielhausen – 2000 Plätze für gemeinsame Gräber – Betreiber wollen bei guter Nachfrage weitere Friehöfe eröffnen – Anfragen haben sich verdoppelt."

(Szenischer Einstieg, mit Zitat)
"Manni Meister nimmt die Schere und schneidet das rote Seidenband durch: Der Weg zum neuen Friedhof ist frei. „Ich wünsche allen Zwei- und Vierbeinern an diesem Platz eine sanfte letzte Ruhe“ sagt der Bürgermeister von Beispielhausen – mit einem Anflug von Humor."

(Details 1: Aktuelles Ereignis)
"Rund 150 Besucher sind gestern zur Eröffnungsfeier des neuen Friedhofs gekommen, oft haben sie ihre Hunde oder auch Katzen mitgebracht. Um 10 Uhr standen sie vor dem Eingangstor und sahen zu, wie Bürgermeister Meister, assistiert vom Geschäftsführer der Rihe Sanft GmbH, Ulli Urnenmeister, das rote Band am Eingang zerschnitt. Minuten spätern hatten sich die Besucher auf dem rund 2000 Quadratmeter großen Gelände verteilt. In der Mitte des Areals steht eine große Eiche, Lorbeer- und Buchenhecken begrenzen das Areal und zwischendrin immer wieder einzelne Akazienbüsche. Nach dem ersten Rundgang gab es für die Besucher Häppchen und Getränke, für die Vierbeiner Leckerlis. In seiner Rede verwies Betreiber Urnenmeister auf die zahlreichen Vorschriften, die beim Bau des Friedhofs eingehalten und beachtet werden mussten. Anschließend besichtigten die Besucher ihre möglichen späteren Grabstellen und konnten auch schon Reservierungen vornehmen.

(Details 2: Infos zur Sache)
"Auf dem Friedhof werden Mensch und sein Haustier in einem Grab beerdigt. Die Tierbesitzer können vorab wählen, ob sie traditionell bestattet werden möchten oder eine Feuerbestattung vorziehen. Das Tier darf nicht mehr als 100 Kilogramm wiegen und muss verbrannt werden, sodass es in der Urne beigesetzt werden kann. Nur unter diesen Bedingungen hatte die Ruhe Sanft eine Genehmigung für den Friedhof für Mensch und Tier erhalten; dürften auch die Tiere traditionell beigesetzt werden, hätte das zu viel Platz beansprucht. (Zitat) „Wir hätten es den Tierbesitzern auch gerne ermöglicht ihre Haustiere traditionell zu begraben, da es einigen Menschen ein großes Bedürfnis ist, ihr Tier unversehrt zu beerdigen. Leider dürfen wir das aber nicht“, so Urnenmeister. Die Urne des Tieres kann mit im Sarg des Menschen liegen oder auf dem Grabstein befestigt werden. Die Beisetzung des Tieres kostet je nach Gewicht und Bestattungsart ab 800 Euro. Da Mensch und Tier  nicht gleichzeitig versterben, empfiehlt die Ruhe Sanft frühzeitig ein Grab zu reservieren. Diese Reservierung ist dann bindend. Stirbt das Tier zuerst, wird eine Urne am Ort des späteren Grabes aufgestellt; stirbt der Mensch zuerst, wird das Tier nachträglich in einer Urne im selben Grab beigesetzt. Zwei Jahre hat der Bau der gesamten Anlage gedauert, die Kosten beliefen sich auf 2,3 Millionen Euro. Zwei Drittel davon brachte der Betreiber auf, die Deutsche Friedhofsgesellschaft, ein Drittel steuert, unter anderem durch Steuererleichterungen, der Ort Beispielhausen bei.

(Einordnung)
"Während es bei den Bauarbeiten keinerlei Probleme oder Verzögerung gab, war die Planung und Genehmigung des Projektes sehr umstritten. Wiederstand gegen die gemeinsame Bestattung kam sowohl vom Landeamt für Gesundheit, als auch von der katholischen Kirche. Erst drei Jahre nach dem Gemeinderatsbeschluss für das Projekt konnte der Bau der Anlage beginnen. Im dem 500 Einwohner großen Ort gab es bisher nur einen Friedhof. Auf diesem wurden alle katholischen Bewohner der Pfarrei Braubach beerdigt. Der Pastor Peter Prediger findet, dass durch den zweiten Friedhof mit Tier ein Konflikt für Gläubige entsteht: (Zitat) „ Ein Tier ist nicht getauft und kann keine Sakramente empfangen, deswegen wird es normal nicht auf dem Friedhof beigesetzt.“ Alle Katholiken mit Tier kämen jetzt in einen moralischen Konflikt, müssten sich entscheiden, ob sie sich nach katholischer Tradition oder atheistisch mit Tier bestatten lassen“. Bürgermeister Meister sieht dagegen auch Vorteile am neuen Friedhof zum Beispiel, da wegen akutem Platzmangel ältere Gräber häufig schon nach 15 Jahren entfernt und für eine neue Nutzung vorbereitet werden mussten: (Zitat) „ Ich finde den neuen Friedhof sehr gut, so können wir am alten Friedhof die Gräber länger für die Angehörigen erhalten und außerdem können sich jetzt auch Menschen unabhängig von ihrem Glauben in Beispielhausen beerdigen lassen“.

(Schluss)
"In den letzten zehn Jahren hat sich nach Angaben der Ruhe Sanft die Zahl der professionellen Bestattungen für Haustiere mehr als verdoppelt. Das Unternehmen hofft deswegen nun auf eine große Nachfrage für die Gemeinschaftsbestattung. Sollten sich die Erwartungen erfüllen, will die Friedhofsgesellschft auch an weiteren Orten einen solchen Bestattungs-Service anbieten. In Hasenberg wird Ende des Jahres der nächste Mensch-Tier-Friedhof eröffnet."